Zu den Arbeiten

Der österreichische Künstler Manfred Egger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der alten Technik des Holzschnittes. Dabei geht es ihm immer auch um eine Auseinandersetzung mit der Technik an sich, mit der Frage, ob bzw. wie diese uralte Form der Druckgrafik auch heute noch zeitgemäß, d.h. formal und inhaltlich der gegenwärtigen Lebens- und Kunstsituation entsprechen kann.

Immer schon hat Manfred Egger versucht Neues, Innovatives in seine Arbeitsweise beim Holzdrucken einfließen zu lassen; ebenso galt es dabei jedoch in gleichem Maße dem Material an sich gerecht zu werden, nur Möglichkeiten einfließen zu lassen, die aus den vorgegebenen Bedingtheiten der Technik erwachsen.

So hat Manfred Egger den Farbbegriff des traditionellen Holzschnittes erweitert, indem er statt klar umrissener, eindeutig abgegrenzter Flächen Überschneidungen, Verläufe, Mischzonen gestaltet, welche die übliche flächig kontrastive Farbgebung erweitern.

Ebenso bedruckt er gelegentlich bewusst Vorder- und Rückseite von Papieren ganz spezifischer Transparenz, sodass beide Zonen im Auge des Betrachters ineinander übergehen, miteinander verschmelzen. So stellt diese eigenwillige Drucktechnik bewusst die Frage nach Oberfläche und Tiefe, nach Fassade und Substanz, nach Schein und Wirklichkeit Ebenso wie durch seine spezifische Gestaltung von Farbzonen gelingt M.Egger auch hier die Reflexion von Grenzziehungen im weitesten Sinn: alles ist mit allem verwoben, alles wird von allem beeinflusst und berührt, jede vorschnelle Interpretation erweist sich oft genug als Irrtum und Täuschung.

In den letzten Jahren hat Manfred Egger begonnen, den Auflagendruck zugunsten von Serien einzelner, originaler Blätter zu ersetzen. Bloße Vervielfältigung kann in Zeiten modernster und ausgefeiltester Reproduktionstechniken nicht mehr länger Sinn einer alten Drucktechnik sein. Statt dessen gestaltet Manfred Egger Einzeldrucke, nur einmal existente Originale, bearbeitet anschließend die Druckplatten weiter, kombiniert sie untereinander und mit weiteren Druckstöcken, verändert auf vielfältige Art und Weise das Ausgangsmaterial der Drucke, und kreiert dabei Serien von verwandten, aber eben nicht identen Blättern. Eines erwächst aus dem vorigen und schafft gleichzeitig schon wieder eine Anknüpfung zum nächsten. Ein Motiv bleibt nicht statisch, sondern entwickelt sich progressiv weiter, ein Thema wird in vielen Variationen durchgespielt, und zeigt so, dass alles in Bewegung, in ständiger Verwandlung ist. Nichts bleibt wie es scheint, alles ist in stetigem Wandel und Wechsel begriffen. Kein Ding hat nur einen Aspekt, nur eine Betrachtungsweise, alles ist vielschichtig, kann und muss aus unterschiedlichsten Perspektiven und Sichtweisen gezeigt werden. So verbinden sich auch hier alte Technik, altes Handwerk mit modernen Ideen und Vorstellungen. Alles ist mit allem vernetzt, alles ist in Bewegung, alles ist viel-schichtig.

Kommentar zu meinen Holzschnitten

Abgesehen von der reinen praktisch-technischen Herausforderung einerseits und der thematischen Problematik immer neuer Bildfindungen ist mir bei der Beschäftigung mit der Technik des Holzschnittes auch eine theoretische und gedankliche Auseinandersetzung immer sehr wichtig gewesen.

Wenn man in dieser schon sehr alten und traditionsreichen Technik des Holzschnittes künstlerisch tätig sein will, erscheint mir eine kritische Reflexion der Verwendung eben dieser künstlerischen Ausdrucksform unumgänglich. Nur unreflektiert eine beliebige, in diesem Fall ja auch sehr alte und daher vielleicht unzeitgemäß scheinende Technik anzuwenden ohne deren Sinnhaftigkeit für das heute zu hinterfragen, scheint mir als „künstlerische“ Form jedenfalls zu wenig.

Daher im Folgenden einige Gedanken und Überlegungen zu der Art wie das Medium Holzschnitt von mir gesehen bzw. verwendet wird:

Frage nach der Zeitgemäßheit der alten Reproduktionstechnik des Holzschnittes:

Kann es in Zeiten digitaler Reproduktionsmöglichkeiten noch Sinn machen, eine uralte Form der Vervielfältigung zu pflegen und zu kultivieren, deren ursprünglicher Zweck größtenteils die Reproduktionsmöglichkeit des Einzelblattes war, wenn heute Verfahren bestehen, dasselbe viel exakter und auflagenmäßig praktisch unbegrenzt zu gestalten?

Ich versuche daher seit einigen Jahren den Holzschnitt in erster Linie als ein Medium zu betrachten, das seine ganz eigenen und spezifischen Bildsprache besitzt, die mit anderen Methoden eben nicht leistbar ist. Die Technik wird also nicht der Reproduzierbarkeit halber verwendet, sondern nur weil sich bestimmte Bildfindungen eben nur mit dieser Technik erzielen lassen. Konsequenterweise drucke ich daher immer weniger Auflagen bzw. seit geraumer Zeit fast nur noch Einzelblätter, Unikate, die allenfalls durch das Hinzufügen neuer Druckplatten bzw. das Verändern, Überarbeiten oder Weglassen bereits verwendeter Druckplatten zu Serien ausgebaut werden. Ein Blatt verwandelt sich somit ständig weiter, es entstehen Zyklen, Entwicklungen, Verläufe, deren Anfänge oder Enden nicht absehbar sind. Der Holzschnitt wird somit zu einer Methode, Übergänge, Verläufe, Zusammenhänge, Vernetzungen, Netzwerke, Entwicklungen und dynamische Prozesse im Sinne einer Bilder-Serie zu gestalten bzw. darzustellen.

So emanzipiert sich der Holzschnitt wieder vom Nimbus des Alten und Überholten und gewinnt Aktualität auch in allgemeinen Fragen der modernen Gesellschaft (man denke an Begriffe wie Vernetzungen, Vernetzt-Sein, Globalisierung, Progressionen, o.ä)

Erweiterung des Materialbegriffes:

Der klassische Holzschnitt (sowohl in Europa als auch in Asien) arbeitet, indem die abzubildende Form aus einem Holzblock oder einer Holzplatte herausgeschnitten wird.

Zusätzlich zu dieser herkömmlichen (und auch von mir am häufigsten angewandten) Vorgangsweise habe ich immer wieder versucht, diese Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. So verwende ich zuweilen anstatt bzw. zusätzlich zu Holzplatten Verfahren, bei denen ich Rinde, Zweige, Blätter verwende und in den Druckvorgang mit einbeziehe. Grobe, wenig oder gar nicht bearbeitete Holzstücke oder Bretter werden einbezogen, das Material an sich darf und soll sich „ausdrücken“.

Naturdruckverfahren werden ebenso wie die Möglichkeiten, die das Verwenden von Schablonen bieten, genutzt.

So versuche ich einerseits dem Material gerecht zu werden, das Material seine eigene Sprache sprechen zu lassen, indem es z.T. nur sehr wenig bearbeitet wird, andererseits strebe ich bewusst eine Erweiterung und Bereicherung des Materialbegriffes an sich an. Ich arbeite also nicht nur als Holzschneider im engeren Sinn, sondern versuche neue Möglichkeiten innerhalb eines begrenzten Rahmens auszuloten.

Gelegentlich experimentiere ich auch mit einer Verbindung des traditionellen Holzdrucks mit neuen digitalen Medien. So lassen sich Arbeiten z.B. digital vergrößern oder auch verkleinern, werden so durch die Verzerrung normaler Verhältnisse (Größe und Struktur der Holzmaserung) verfremdet und erzielen dabei interessante optische aber auch gedankliche Wirkung (Relativität der Wahrnehmung/Erkenntnis).

Eine weitere Fortspinnung solcher Verfremdungen ergibt sich auch z.B. durch das digitale Drucken eines Holzschnittes auf unübliche Trägermaterialien wie Kunststoff oder auch Metall.

Papier

Auch hinsichtlich der Verwendung bestimmter Papiere zum Drucken versuche ich das jeweilige Material bewusst mit einzubeziehen und bewusst bestimmte Papier-Eigenschaften künstlerisch nutzbar zu machen.

Verschiedene Papiere haben nicht nur verschiedene Oberflächen, Farbnuancen, Faserstrukturen, usw. Das würde jeweils nur andere haptische und/oder optische Reize für den Betrachter ergeben; wobei natürlich auch dies schon ein möglicher zweckgebundener Einsatz von Papiersorten wäre.

Zur Zeit arbeite ich daran, die Transparenz bestimmter Papiersorten insofern gestalterisch mit einzubeziehen, als ich Blätter beidseitig, also vorne und hinten, bedrucke, sodass – eben je nach Transparenz und Saugfähigkeit der Papiere – bestimmte Strukturen und Formen mehr oder weniger durchscheinen, durchschlagen, wobei sehr ergiebige Effekte (auch in Verbindung mit den Bildinhalten! Nicht als bloßer Effekt!) erzielbar sind.(die Frage nach der Verbindlichkeit von Wahrnehmung und Einschätzung etwa lässt sich hier gut thematisieren)

Formen scheinen auf verschiedenen Tiefenebenen zu liegen, vorne und hinten verschwimmen, werden in ihrer klaren Lage diffus und unbestimmbar; Strukturen scheinen Schatten zu werfen, scheinen gespiegelt oder verdoppelt.

Auf der Ebene des Druckpapiers entwickelt sich flirrende, manchmal verwirrende Dreidimensionalität, die gerade die oftmals gegebene Begrenztheit des Holzschnittes auf das Flächenhafte und auf klare Kontraste erweitern hilft.

Zudem verstärkt gerade diese Drucktechnik das Inhaltliche vieler meiner Arbeiten, das um die Fragen nach Oberflächen/Tiefen, Vordergründigem/Hintergründigem, Fassaden /Tiefenschichten kreist. Hinter jeder Oberfläche tauchen neue Schichten auf, jeder Eindruck stellt nur eine Sicht auf die Dinge dar; das Dasein ist vielschichtig, mehrdimensional, verwirrend und oft unklar und verschwommen.

Dies zu reflektieren hilft mir gerade auch der geschilderte Einsatz unterschiedlich transparenter Papiere.

Einsatz von Farbe

Im Westen werden und wurden Holzschnitte oft/überwiegend als schwarz-weiß Drucke mit klaren Kontrasten, mit flächiger Darstellung auch des Raumes und mit üblicherweise grober, ausdrucksstarker, expressiver Darstellungsweise gearbeitet.

In Japan ergaben sich durch den Vielfarbendruck neue, zusätzliche Möglichkeiten der Gestaltung. Jede Farbe wird mittels einer eigenen Druckplatte aufgebracht, das Verfahren ist komplex und technisch sehr aufwendig.

Bei meinen Arbeiten versuche ich diese übliche klare Trennung (klar abgegrenzte Farben, jede Farbfläche bleibt für sich, ist von den anderen abgetrennt; flächenhafte Wirkung) aufzulösen und durch neue Verfahren zu ersetzen.

Ich drucke oft auch durchaus vielfarbig, jedoch mit einem grundsätzlich anderem Ansatz. Bei mir werden Farben vorsichtig und zart übereinander gedruckt; manchmal nur verschiedene Töne oder Abstufungen einer Grundfarbe, oft aber auch sehr verschiedene Farben, die erst am gedruckten Blatt sich zu einem optischen Eindruck, einem Farbton mischen; wobei die Farben, die den Ton zusammensetzen, erhalten und wahrnehmbar bleiben, auch wenn sie zusammen einen neuen Farbeindruck entstehen lassen. (vielleicht in etwa vergleichbar mit den Farbmischungen der Impressionisten auf der Leinwand)

Auch hier bleibt die Technik nicht Selbstzweck, sondern verstärkt inhaltliche Anliegen. Es entstehen Töne, Übergänge, Abbrüche, Zwischentöne; Farben und Formen verschmelzen, verlieren ihre klar gefassten Grenzen, lösen sich auf;

Einblicke und Durchblicke werden möglich, das Sein in seiner Vieldimensionalität und Vielschichtigkeit wird spürbar.

 

Comment on the prints:

The Austrian artist Manfred Egger has been working in the ancient technique of woodblock printing for years. He has always seen this work also as a reflection of the technique as such, as a reflection of the question whether, or rather how, this old form of printing can still be in keeping with the time. In other words he is dealing with the question of how woodblock printing can still convey the present day situation of art and life in terms of both form and content.

Manfred Egger has always tried to create something new, to introduce an inventive element when producing his art. Moreover he has put strong emphasis on the material used as such, trying to make use of opportunities deriving from the possibilities offered by the technique and the materials as such. Thus for instance M.Egger has extended the idea of colouring of the traditional woodblock print by creating overlappings, transgressions, mixed zones, that go beyond traditional contrastive colouring, which rather produces clear borderlines between isolated patches of a certain colour.

In the same way on certain occasions he deliberately prints on the front and back of papers of specific transparent quality so that in the eyes of the viewer both zones, both surfaces mingle into one, are no longer to be kept apart.

By printing in that very way Manfred Egger poses the question for surface versus depth, facade versus substance or appearance versus reality. Just like with his specific way of colouring he deals with questions of borderlines in this context too: everything is connected to everything, everything is influenced and touched by everything, any sudden interpretation of reality turns out false often enough.

In the past few years the artist has found another new concept. Rather than turning out editions, i.e. printing the same motif in a certain limited number again and again, he has started producing series of single, original prints. In times of highly sophisticated methods of re-production simply making “copies” can no longer be the aim of the technique of woodblock printing. Instead Manfred Egger prints originals only; however, he then re-works the printing blocks as such, he combines them with each other, introduces new blocks, thereby changes the material used for printing in various ways, and so in the end creates series of similar, of related but never identical prints.

One print derives from its predecessor and at the same time functions as a link to the next one. In that way a certain motif doesn`t remain static but can be shown in progress, a theme is presented in numerous variations.

This shows that things are in movement , in constant change. Nothing remains as it seems at first sight.

Nothing has got only one aspect, only one perspective to look at it. Everything is complex, has to be presented from different angles. Thus also in that view an old technique and contemporary ideas and concepts mingle in one. Everything is joined together, everything is in progress, everything is many-sided.

Comment on the prints:

I have been working in the ancient technique of woodblock printing for years. Doing so I have always seen this work also as a reflection of the technique as such, as a reflection of the question whether, or rather how, this old form of printing can still be in keeping with the time. In other words I am dealing with the question of how woodblock printing can still convey the present day situation of art and life in terms of both form and content.

Thus I have always tried to create something new, to introduce an inventive element when producing his art. Moreover I have put strong emphasis on the material used as such, trying to make use of opportunities deriving from the possibilities offered by the technique and the materials as such. For instance I have extended the idea of colouring of the traditional woodblock print by creating overlappings, transgressions, mixed zones, that go beyond traditional contrastive colouring, which rather produces clear borderlines between isolated patches of a certain colour.

In the same way on certain occasions I deliberately print on the front and back of papers of specific transparent quality so that in the eyes of the viewer both zones, both surfaces mingle into one, are no longer to be kept apart.

By printing in that very way I pose the question for surface versus depth, facade versus substance or appearance versus reality. Just like with his specific way of colouring I deal with questions of borderlines in this context too: everything is connected to everything, everything is influenced and touched by everything, any sudden interpretation of reality turns out false often enough.

In the past few years I have found another new concept. Rather than turning out editions, i.e. printing the same motif in a certain limited number again and again, I have started producing series of single, original prints. In times of highly sophisticated methods of re-production simply making “copies” can no longer be the aim of the technique of woodblock printing. Instead I print originals only; however, I then re-work the printing blocks as such, I combine them with each other, introduce new blocks, thereby change the material used for printing in various ways, and so in the end create series of similar, of related but never identical prints.

One print derives from its predecessor and at the same time functions as a link to the next one. In that way a certain motif doesn`t remain static but can be shown in progress, a theme is presented in numerous variations.

This shows that things are in movement , in constant change. Nothing remains as it seems at first sight.

Nothing has got only one aspect, only one perspective to look at it. Everything is complex, has to be presented from different angles. Thus also in that view an old technique and contemporary ideas and concepts mingle in one. Everything is joined together, everything is in progress, everything is many-sided.